Ordnung im Stall? Chaos im Bundesrat?

«Wer «Ordnung im Stall» haben will (...) muss genau hinschauen, wenn es stinkt. Und dann auch handeln.»

Nico Lutz, Sektorleiter Bau der Unia, setzt sich in der «Kolumne zum Donnerstag» im «Baublatt» mit der europäischen Integration auseinander. Für die Unia ist seit jeher klar: Sie unterstütztdie Personenfreizügigkeit. Aber unter klaren Voraussetzungen. Das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort» muss durchgesetzt werden. Die Flankierenden Massnahmen stehen nicht zur Diskussion!

«In den Diskussionen über das Rahmenabkommen mit der EU, über die flankierenden Massnahmen und über die Personenfreizügigkeit gehen die Wogen gerade hoch. Es liegt ziemlich viel Pulverdampf in der Luft. Und uns Gewerkschaften wird der Vorwurf gemacht, wir hätten die Lunte in Brand gesetzt. Wir wären die neue SVP und würden die Brücken zu Europa gerade in die Luft sprengen.

Na ja. Jetzt mal den Kopf ein- und die Polemik ausschalten. Um was geht es genau? Punkt eins: Der Aussenminister und der Volkswirtschaftsminister haben ohne Not – Kritik aus der EU an den flankierenden Massnahmen gibt es schon seit mehr als zehn Jahren – die Grundvoraussetzung für den europäischen Integrationsprozess in Frage gestellt. Sie sind bereit, über die Massnahmen zum Schutz der Löhne mit der EU zu verhandeln. Und dies obwohl der Gesamtbundesrat zuvor ein klare rote Linie gezogen hat.

Punkt zwei: Wir haben als Gewerkschaften seit eh und je eine glasklare Position vertreten. Wir unterstützen den europäischen Integrationsprozess, und wir unterstützen die Personenfreizügigkeit. Aber unter klaren Voraussetzungen. Das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort» muss durchgesetzt werden. In der Schweiz müssen Schweizer Löhne bezahlt werden. Wenn wir das nicht schaffen, dann zahlen die Arbeitnehmenden die Zeche. Dann haben die korrekten Firmen ein Problem. Und politisch führt das zu einem Erstarken der rückwärtsgewandten und isolationistischen Kräfte – wie wir das leider in vielen Ländern Europas sehen.

Punkt drei: Wir stehen in der Schweiz vor besonderen Herausforderungen. Nominal ist der durchschnittliche Lohn in der Schweiz doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt, kaufbereinigt noch rund 20 Prozent höher. Nichts ist für eine süddeutsche Firma so attraktiv wie mit deutschen Löhnen in der Schweiz zu arbeiten und Schweizer Preise verlangen zu können. Da geht der Gewinn für die Firma durch die Decke. Nur: Wenn wir das zulassen, dann wird es keine Schweizer Firmen im Bau- und insbesondere im Baunebengewerbe mehr geben.

Die Meldepflicht spätestens acht Tage vor Arbeitsantritt ist nur ein Element – das real zudem gar kein Problem darstellt. Kaum ein seriöses Unternehmen plant seine Einsätze über die Grenze von Tag zu Tag, kaum ein Auftraggeber vergibt Aufträge eine Woche vor Arbeitsbeginn. Die süddeutschen Handelskammern wettern, dass in der Schweiz viel zu viele Firmen kontrolliert werden. Doch: Bei rund einem Drittel der Firmen finden die Kontrolleure Verstösse.

Darum geht es: Wer «Ordnung im Stall» haben will – das war auch mal ein Kernanliegen von Wirtschaftsminister Schneider-Ammann, wie sich einige erinnern mögen – muss genau hinschauen, wenn es stinkt. Und dann auch handeln. Denn nur so werden wir die hiesigen Löhne und Arbeitsbedingungen tatsächlich schützen können. Und nur so gibt es eine Perspektive für die Personenfreizügigkeit.»

Nico Lutz, Sektorleiter Bau und Geschäftsleitungsmitglied der Unia