Die Pflegenden arbeiten am Limit, mit fatalen Folgen für ihre Gesundheit!

Für die Sicherung einer guten Pflege, muss die Abwärtsspirale aufgehalten werden.

Für den Schutz der Bewohner/innen von Alters- und Pflegeheimen vor dem Coronavirus und für die Sicherstellung einer guten Pflege braucht es gesundes Pflegepersonal. Um diese Gesundheit steht es wegen den schlechten Arbeitsbedingungen aber bereits seit Jahren schlecht, wie zwei Umfragen der Unia zeigen.

Eine Umfrage Anfang 2019 unter 1200 Pflegenden aus Alters- und Pflegeheimen brachte zu Tage, dass 72 Prozent wegen ihrer Arbeit unter körperlichen Beschwerden leiden.

Fast die Hälfte konnte sich nicht vorstellen, bis zur Pensionierung im Beruf zu bleiben. Fast 50 Prozent begründeten ihren Ausstiegswunsch primär mit den gesundheitlichen Problemen durch den Pflegeberuf. Bereits im März 2019 hatte die Unia deshalb Alarm geschlagen.

Umfrage Stress und Gesundheit in der Pflege

In einer vertieften Umfrage im Sommer 2019 bei rund 500 Pflegenden der Langzeitpflege ging die Unia den gesundheitlichen Problemen und deren Ursachen näher auf den Grund. Die Umfrage bestätigt nun die Erkenntnisse: Die Pflegenden arbeiten seit Jahren am Limit. Stress und gesundheitliche Probleme gehören zum Courant-normale und sind nicht erst mit der Corona-Pandemie zum Thema geworden.

Zu den ausführlichen Resultaten

Die wichtigsten Erkenntnisse in Kürze

Um die Gesundheit steht es schlecht

  • 28 Prozent der Befragten gaben an, einmal oder mehrmals berufsbedingt einen Monat oder länger krankgeschrieben gewesen zu sein.
  • Nur 4 Prozent aller Befragten hatten in den letzten 12 Monaten keine der sieben abgefragten gesundheitlichen Beschwerden. Im Schnitt hatten die Pflegenden über drei verschiedene körperliche oder psychische Beschwerden.

Dies ist ein klarer Hinweis auf eine konstante Überbelastung der Arbeitnehmenden – eine zwangsläufige Folge aus den durchgetakteten Pflegearbeiten und dem möglichst wirtschaftlichen Einsatz des Personals.

Arbeitszeiten und Dienstplanung: Wirtschaftlichkeit geht vor

  • 21 Prozent gaben an, dass sie pro Monat 11 geteilte Dienste und mehr leisten (also Tagesdienste, die durch eine lange Pause geteilt sind).
  • Bei 50 Prozent der Pflegenden wird die gesetzliche Ruhezeit von elf Stunden zwischen zwei Schichten monatlich ein bis fünf Mal herabgesetzt, bei 30 Prozent sogar mehr als 5 Mal pro Monat.

Viele Pflegende finden die geteilten Dienste problematisch für die körperliche Belastung, aber auch für das Sozial- und Familienleben. Betreffend Ruhezeiten darf gemäss Arbeitsgesetz die Mindestruhezeit von elf Stunden zwischen zwei Schichten mehrmals pro Woche auf neun Stunden reduziert werden, was die Heime offensichtlich auch ausnutzen.

Kurzfristige Arbeit auf Abruf als Normalität

  • Bei 81 Prozent der Befragten kommen die sozialen und familiären Verpflichtungen durch häufige Planänderungen zu kurz.
  • Von 70 Prozent wird erwartet, dass sie während der Freizeit spontan einspringen.
  • 32 Prozent der Befragten hatten im letzten Monat zwischen 10 und 20 Überstunden, 18 Prozent sogar mehr als 20. Rund 13 Prozent hatten 10 oder mehr Minusstunden.

Pflegende sind mit häufigen Planänderungen konfrontiert. Diese werden oftmals kurzfristig telefonisch kommuniziert, was die Work-Life-Balance empfindlich stört. Diese Flexibilität wird absichtlich eingeplant und ergibt sich nicht nur zufällig, das zeigen die vielen Plus- und Minusstunden.

Arbeiten unter Stress und Zeitdruck

  • Rund 90 Prozent der Pflegenden gaben an, häufig unter Zeitdruck zu arbeiten.

Durch die neue Pflegefinanzierung wurden standardisierte Zeitvorgaben für alle pflegerischen Leistungen eingeführt. So wird die Arbeit oft als Pflege am Fliessband wahrgenommen.

Pensum und Gehalt

  • 44 Prozent der Pflegenden mit einem hohen Arbeitspensum möchten dieses gerne reduzieren.
  • 27 Prozent der Befragten haben ein monatliches Bruttoeinkommen zwischen 3000 und 4000 Franken, 38 Prozent zwischen 4000 und 5000 Franken und 20 Prozent verdienen mehr als 5000 Franken.
  • Bei den Pflegehelfer/innen und -assistent/innen verdienen sogar 59 Prozent unter 4000 Franken bei Vollzeitarbeit.

Der oft gehegte Wunsch einer Pensenreduktion wegen der hohen Arbeitsbelastung ist aus finanzieller Perspektive für die Pflegenden nur schwer umzusetzen. Bei einer Kurzumfrage auf Facebook forderten deshalb auch von 120 Teilnehmenden 97 «mehr Lohn».

Abwärtsspirale jetzt aufhalten und gute Pflege sicherstellen!

Die Corona-Krise zeigt: Das System ist definitiv an seine Grenzen gestossen. Die Langzeitpflege ist seit Langem chronisch unterbesetzt. Schuld daran ist das von der Politik beschlossene Finanzierungsregime. Tiefe Löhne, schwierige Arbeitszeiten, zu wenig Personal: Das macht die Heime als Arbeitgeber unattraktiv. Hinzu kommen die hohe Fluktuation und die vielen Krankheitsausfälle: Dies führt zu einer Mehrbelastung des verbleibenden Personals und heizt damit die Personalfluktuation weiter an. Damit die seit mehreren Jahren drehende Abwärtsspirale aufgehalten werden kann, fordert die Unia:

  • Gute Arbeitsbedingungen: höhere Löhne, humanere Arbeitszeiten, eine bessere Planbarkeit der Dienste, eine unterstützende und wertschätzende Führung sowie eine gesundheitsfördernde Arbeitsorganisation. Diese müssen in einem Dialog auf Augenhöhe zwischen Arbeitgeber und dem Personal und seinen Gewerkschaften festgelegt werden.
  • Neuordnung der Pflegefinanzierung: Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, braucht es eine solide und kriterienorientierte Finanzierung guter Pflege, u.a. für höhere Stellenschlüssel und mehr Aus- und Weiterbildung auf allen Stufen.