Fragen und Antworten zum Frankenkurs

Fragen und Antworten zum Frankenkurs

1. Die Bedeutung des Mindestkurses

  • Warum schadet die Aufhebung der Untergrenze des Euro-Franken-Kurses der Wirtschaft?

    Die in der Schweiz produzierten Waren, die in den Euroraum – unseren wichtigsten Absatzmarkt – exportiert werden, sind mit einem Schlag um 20% teurer geworden. Gäste aus dem Euroraum müssen für ihre Ferien ab sofort 20% mehr bezahlen. Die Schweizer Firmen müssen entweder ihre Preise senken und haben damit weniger Einnahmen, oder sie riskieren Aufträge an die Konkurrenz zu verlieren und entlassen dann Leute.

  • Warum hat die Nationalbank eine Untergrenze eingeführt?

    Der Euro-Franken-Kurs wurde zu einem grossen Problem für die Wirtschaft. Im Oktober 2007 war der Kurs für einen Euro noch bei Fr. 1.68. Im Gefolge der Finanzkrise ab 2008 sank er immer weiter bis auf 1.05. Um eine Wirtschaftskrise zu verhindern, hat die SNB im September 2011 eine Untergrenze des Euro-Franken-Kurses bei Fr. 1.20 festgesetzt. 

  • Warum ist ein stabiler und nicht überbewerteter Franken so wichtig?

    Eine stabile Währung ist ein öffentliches Gut und für die Wirtschaft und Gesellschaft so wichtig wie z.B. die Rechtssicherheit. Die Unternehmen brauchen eine stabile Währung, auf deren Grundlage sie ihre Kalkulation machen können. Aktuell ist aber der Franken einer massiven Spekulation auf den Devisenmärkten ausgesetzt und deshalb sehr unstabil. Ein sich ständig verändernder Frankenkurs verhindert eine vernünftige Planung in den Unternehmen. Die Überbewertung des Frankens benachteiligt den Tourismussektor und die Schweizer Exportindustrie auf dem Weltmarkt.

  • Welche Aufgabe und Verantwortung für die Wirtschaft hat die SNB?

    Die SNB hat den Auftrag, für Preisstabilität zu sorgen und dabei der Konjunktur Rechnung zu tragen. Preisstabilität heisst eine Teuerung, die leicht unter 2% liegt. Der Konjunktur Rechnung tragen heisst, auch für eine gute Beschäftigungssituation zu sorgen und Arbeitslosigkeit zu verhindern.

  • Hätte die SNB nicht sowieso einmal die Untergrenze aufheben müssen?

    Die SNB hat schon immer darauf geachtet, einen Mindestkurs gegenüber dem Euro zu stützen, indirekt über Zinssenkungen oder direkt über Interventionen auf dem Devisenmarkt. Namhafte Wissenschaftler wie der ehemalige Uno-Chefökonom Heiner Flassbeck sind der Meinung, dass die SNB über lange Zeit einen Mindestkurs stützen könnte, ohne die wirtschaftliche Stabilität langfristig zu gefährden.

  • Kann die SNB überhaupt etwas ausrichten gegen die Devisenmärkte?

    Die SNB kauft mit Schweizer Franken Euro und sorgt dafür, dass der Franken eine bestimmte Untergrenze nicht unterschreitet. Für Schweizer Franken erhält sie Devisen. Ihr Devisenbestand hat stark zugenommen und wenn die Währungskurse ändern, kann es Buchverluste oder Buchgewinne geben. Das ist aber nicht problematisch, denn die SNB ist keine Geschäftsbank und kann nicht in Konkurs gehen.

  • Warum ist der Schweizer Franken so überbewertet?

    Zerfällt der Wert einer Währung (wie aktuell der Rubel in Russland) oder droht eine Währung wegen politischer oder wirtschaftlicher Unsicherheiten an Wert zu verlieren (wie aktuell zum Beispiel der Euro), dann legen Spekulanten und reiche Einzelpersonen ihr Geld in harten Schweizer Franken an. Der Franken wird so zu einer Flucht- und Spekulationswährung.

  • Profitieren wir nicht auch von einem starken Schweizer Franken dank tieferen Preisen?

    Wir haben schon heute eine leicht negative Teuerung. Das ist eher problematisch, weil die Erwartung immer weiter sinkender Preise den Konsum und damit die Konjunktur bremsen. Auf der anderen Seite steigen Mieten und Krankenkassen-Prämien weiterhin stark an, und im Portemonnaie bleibt weniger übrig. Denn diese Ausgabenposten sind viel gewichtiger als zum Beispiel Lebensmittel oder Autos, die nur alle paar Jahre neu gekauft werden.

  • Wer profitiert von einem überbewerteten Franken?

    Wer mit Schweizer Franken und Euro spekuliert, kann grössere Gewinne (oder Verluste) machen, wenn sich der Kurs wieder stark verändert. Auch Importeure aus dem Euroraum profitieren, weil sie die Waren günstiger einkaufen können.

2. Schweizer Löhne schützen!

  • Sollen Grenzgänger Löhne in Euro erhalten, weil sie vom starken Franken profitieren?

    Nein. Das Auszahlen der Löhne in einer anderen als der „gesetzlichen Währung“ (also dem Franken) ist gemäss Art. 323b des Schweizer Obligationenrechts verboten. Zurecht, denn dies würde zwei verschiedene Kategorien von Arbeitnehmenden schaffen und Lohndumping fördern. Würden Unternehmen den Grenzgänger/innen Löhne in Euro bezahlen, wäre deren Lohn tiefer als der ihrer Kolleg/innen, die in der Schweiz wohnen. Sie würden für die Unternehmen also viel günstiger als die in der Schweiz wohnhaften Arbeitnehmenden. Das bedeutet, dass auch die in der Schweiz wohnhaften Arbeitnehmenden unter Druck gesetzt würden, Lohnsenkungen zu akzeptieren. Oder es drohte ihnen, durch billigere Grenzgänger/innen ersetzt zu werden.

  • Warum sind Lohnsenkungen gefährlich?

    Es geht nicht an, dass nun die Arbeitnehmenden die Zeche für den SNB-Entscheid bezahlen müssen. Lohnsenkungen sind zudem wirtschaftlich gefährlich. Sie schmälern die Kaufkraft und damit die Inlandnachfrage und treiben die Wirtschaft in die Rezession. Wenn Produktivitätsfortschritte nicht in Form von Lohnerhöhungen an die Konsument/innen weiter gegeben werden, wenn im Gegenteil die Löhne sinken und die Menschen weniger Geld ausgeben können, steigt der Wert des Frankens weiter an. Es wäre wie der Versuch, einen Brand mit Benzin zu löschen. Die Unia wird sich deshalb mit aller Kraft gegen Versuche wehren, die Löhne zu drücken.

  • Sind Lohnsenkungen in einzelnen gefährdeten Unternehmen gerechtfertigt?

    Für die Kunden im Euroraum bedeutet ein Euro-Franken-Kurs von 1:1 eine Preiserhöhung von 20%. Wollte man diese Preiserhöhung allein durch Lohnsenkungen kompensieren, dann müssten die Löhne um beinahe 40% gesenkt werden, wenn der Lohnanteil 50% der Gesamtkosten beträgt. Aber auch für betroffene Arbeitnehmende sind die Konsequenzen von Lohnsenkungen weitreichend. Akzeptieren sie eine Lohnsenkung und werden dennoch entlassen, so erhalten sie nur 70 oder 80% des abgesenkten Lohnes. Auch bei Unfall ist es so. Wenn ein Unternehmen vorübergehend in Schwierigkeiten gerät, soll dies mit Kurzarbeit überbrückt werden. Die Kurzarbeitsentschädigung soll dafür erleichtert und ausgedehnt werden. Diese Massnahme hat sich schon vor drei Jahren, vor der Einführung der Frankenuntergrenze, sehr bewährt und geholfen, Entlassungen zu vermeiden.

  • Sind Arbeitszeitverlängerungen eine zweckmässige Massnahme, wenn Unternehmen wegen dem starken Franken in finanzielle Probleme geraten?

    Wenn es weniger Aufträge für die Unternehmen gibt, nützt längeres Arbeiten gar nichts. Dann ist Kurzarbeit eine Möglichkeit, um Entlassungen zu verhindern. Als Massnahme zur Kostensenkung sind Arbeitszeitverlängerungen nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Eine Erhöhung der Arbeitszeit um z.B. 2 Std./Woche bei einer regulären 40-Stundenwoche entspricht einer 5%-Lohnsenkung. Unter der Annahme, dass die Arbeitskosten 20% der Gesamtkosten ausmachen, würde die Arbeitszeiterhöhung die Kosten um nur 1% verringern.

    Die Erfahrungen mit Arbeitszeitverlängerungen in der Industrie 2011/12 waren nicht besonders positiv. Die Arbeitsmoral der betroffenen Belegschaft und die Arbeitsproduktivität verschlechterten sich. Arbeitszeitverlängerungen haben sich nicht bewährt und die Unternehmen, die in der MEM-Industrie den Krisenartikel angewendet haben, haben sehr rasch und noch vor Ablauf der terminierten Massnahme (im Schnitt bereits nach 6 Monaten) die Arbeitszeitverlängerung wieder rückgängig gemacht.

  • Aber haben die Unternehmen nicht Recht, wenn sie sagen, dass sie jetzt die Kosten senken müssen?

    Viele Arbeitgebervertreter versuchen nun, die Gunst der Stunde zu nutzen, um alle möglichen Forderungen durchzusetzen. Aber der starke Franken trifft nicht alle Unternehmen gleich. Viele exportieren nicht nur in den Euro-, sondern auch in den Dollarraum. Viele Unternehmen beziehen auch Vorprodukte aus dem Euroraum, die jetzt günstiger werden. Auch die Energiepreise sind gesunken, die für viele Unternehmen einen grossen Kostenpunkt darstellen. Und die Zinsen sind tief. Es muss also im Einzelfall geprüft werden, ob ein Unternehmen tatsächlich in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist oder nicht.

  • Was soll denn ein Hotel machen, wenn jetzt die Gäste aus dem EU-Raum ihre Buchungen stornieren?

    Das Hotel kann Kurzarbeit bei der Arbeitslosenversicherung beanspruchen. Es kann die Saison früher beenden, die Mitarbeitenden arbeiten dann weniger lang und erhalten eine Unterstützung der Arbeitslosenversicherung für den Lohnausfall. Nach der Finanzkrise 2008 half das vielen Betrieben, Entlassungen zu vermeiden.

3. Forderung der Unia

  • Was verlangt die Unia von der SNB?

    Die Unia verlangt, dass die SNB weiterhin ihrem Auftrag nachkommt und für Preisstabilität unter Berücksichtigung der Konjunktur sorgt. Sie darf jetzt die Wirtschaft nicht einfach im Stich lassen und Arbeitslosigkeit und eine Rezession riskieren. Die SNB muss also auch in Zukunft dafür sorgen, dass der Schweizer Franken eine Untergrenze gegenüber dem Euro nicht unterschreitet. Es gibt keine andere Massnahme, die sofort und so entlastend für die Wirtschaft wirkt wie eine Untergrenze. Der faire Kurs gegenüber dem Euro dürfte etwa bei Fr. 1.30 liegen.