Automatischer Teuerungsausgleich, Ausbildungsoffensive & Schutz älterer Arbeitnehmer/innen

Die letzten GAV-Verhandlungen der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) im Jahr 2013 waren vom harten Konflikt rund um die Einführung von Mindestlöhnen geprägt. Ihre vertragliche Festlegung war ein Durchbruch, weil die Lohnfrage vom Einzelbetrieb weg auf die sozialpartnerschaftliche Ebene gehoben wurde. In den jetzt abgeschlossenen Verhandlungen zeitigte die damals von der Gewerkschaft Unia entwickelte konfliktuelle Sozialpartnerschaft Früchte. Für die über 100'000 Arbeitnehmenden der MEM-Branche konnte die Gewerkschaftsseite mit dem automatischen Teuerungsausgleich die Sozialpartnerschaft auf Augenhöhe weiter stärken.

Die hartnäckige und konsequente Linie der Unia, die sich auch im Streit um den Solidaritätsbeitragsfonds zeigte, hat sich durchgesetzt: Nicht nur konnten in den Verhandlungen zwischen Februar und Juni 2018 sämtliche Verschlechterungen für die Arbeitenden verhindert werden, so etwa die geforderte Verlängerung der Arbeitszeit. Es konnten auch wegweisende Verbesserungen erzielt werden. Die Ratifizierung des Verhandlungsresultats durch die Gewerkschaft Unia steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des zuständigen Branchengremiums am 26. Juni 2018.

Erhöhung der Arbeitszeit auf 42 Stunden erfolgreich abgewehrt

Im gegenwärtigen Umfeld von drängenden Forderungen nach Entgrenzung und Ausdehnung der Arbeitszeit ist es der Gewerkschaft Unia gelungen, die Hauptforderung des Arbeitgeberverbands Swissmem abzuwehren. Dieser wollte die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden auf 42 Stunden erhöhen.

Zudem konnten einige essentielle Verbesserungen in den GAV geschrieben werden:

Automatischer Teuerungsausgleich und erstmals Kontrolle der Mindestlöhne

  • In den nächsten Jahren, wird gemäss neuester Studien die Teuerung (Konsumentenpreise) steigen. Für die Arbeitnehmenden ist die Erhaltung der Kaufkraft seit Jahren eine zentrale Forderung. Im neuen GAV ist nun das Prinzip festgeschrieben, wonach die definierten Mindestlöhne jährlich und automatisch der Teuerungsentwicklung angepasst werden. Diese Neuerung erlaubt eine Entwicklung der Löhne in der Branche durch den GAV und die Sozialpartner.
  • Bei Negativteuerung werden die Löhne hingegen nicht gesenkt.
  • Die tiefsten Mindestlöhne der so genannten Region C (unter anderem das Tessin) werden zusätzlich zum automatischen Teuerungsausgleich jährlich um 30 Franken erhöht.
  • Entscheidend ist die Durchsetzung: Wir haben vereinbart, dass die Einhaltung der Mindestlöhne in sämtlichen GAV-unterstellten Unternehmen von Revisionsgesellschaften flächendeckend kontrolliert wird.

Förderung der Frauen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Im neuen GAV MEM haben sich die Arbeitgeber verpflichtet, die Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen zu verbessern. Zudem wird nicht nur der Wiedereinstieg von Frauen ins Berufsleben gefördert, es sollen neu unter anderem auch vorübergehende Arbeitszeitreduktionen bei Familienpflichten oder die Unterstützung bei der Organisation ausserfamiliärer Kinderbetreuung an die Hand genommen werden. Neu ist unter anderem die Verteilung von Teilzeitpensen auf mehrere Tage möglich (zum Beispiel 60% auf 4 anstatt 3 Tage). Die Sitzungszeiten in den Betrieben müssen zwingend zwischen 09:00 und 17:00 Uhr festgelegt werden.

Ausbildungsoffensive für Erwachsene durch die neue «MEM-Passerelle 4.0»

Im GAV MEM 2018 ist, ein Novum, die «MEM-Passerelle 4.0» verankert. Sie basiert auf einem Konzept der Unia. In dieser Passerelle wird die «Erwachsenen-Berufslehre» stipuliert. Sie stellt im Zusammenhang mit den Herausforderungen der Digitalisierung erstmals ein konkretes Instrument dar, das die Arbeitenden bei der Weiterbildung unterstützt und ihnen neue persönliche und berufliche Perspektiven eröffnet.

Förderung und Schutz älterer Arbeitnehmer/innen

Weil ältere Arbeitnehmende oft benachteiligt werden, war der neu eingeführte Kündigungsschutzartikel für ältere Arbeitnehmende ein zentrales Anliegen. Nebst der Einführung eines Artikels, der die Unternehmungen zwingt, jede beabsichtigte Kündigung eines älteren Arbeitnehmers individuell zu prüfen und alternative Lösungen zur Kündigung zu suchen, wurde die Verlängerung der Kündigungsfrist um einen Monat für Arbeitnehmer ab 55 Jahren und 10 Dienstjahren vereinbart.

Krisenartikel

Beim so genannten Krisenartikel, der die Arbeitgeber - mit zwingender Zusage der Arbeitnehmenden - ermächtigt, die Arbeitszeit unter klar definierten Umständen zu erhöhen, konnte die Anwendung von 30 Monaten auf maximal 24 Monate reduziert werden. Zudem müssen die Arbeitgeber den Gewerkschaften neu verbindlich und schriftlich Angaben zu den Motiven der Anwendung unterbreiten. Wichtig war der Unia bei der Neukonzeption dieses Artikels, dass die Arbeitnehmervertretungen ihre Gewerkschaft zu jeder Zeit an den Verhandlungstisch rufen können.

Vorbehältlich der Zustimmung der zuständigen Branchengremien tritt der neue GAV am 1. Juli 2018 in Kraft und gilt bis zum 30. Juni 2023.