Kaufkraftverlust im Westschweizer Ausbaugewerbe: Zwei Drittel verzichten auf Freizeitaktivitäten

Zum Start der Lohnverhandlungen im Westschweizer Ausbaugewerbe hat die Unia eine grosse Lohnumfrage in der Branche durchgeführt. Die Ergebnisse sind alarmierend. Die Kaufkraft den Arbeitnehmenden verschlechtert sich praktisch überall. Manche haben gar Mühe, anständig von ihrer Arbeit leben zu können. Die Unia fordert eindringlich eine Reallohnerhöhung von 100 Franken.

Im Hinblick auf die am 2. Oktober beginnenden Lohnverhandlungen hat die Unia eine Lohnumfrage bei über 1’500 Arbeitnehmenden im Westschweizer Ausbaugewerbe (Schreinerei, Zimmerei, Gipserei, Malerei, Glaserei, Bodenverlegung usw.) durchgeführt. Die Ergebnisse sind alarmierend: Zwei Drittel geben an, auf Freizeitaktivitäten oder Urlaub verzichten zu müssen, weil das Geld nicht reicht. 17 Prozent der Befragten sagen gar, dass sie Ende Monat nicht alle Rechnungen zahlen können. Lediglich ein knappes Fünftel ist der Ansicht, einigermassen anständig von der Arbeit leben zu können.

Über 77 Prozent der Arbeitnehmenden sind der Meinung, Ende Monat weniger Geld in der Tasche zu haben als 2013. Im gleichen Zeitraum stiegen die Krankenkassenprämien in der Westschweiz um 38,7 Prozent, die Mieten um 6,4 Prozent und die Effektivlöhne insgesamt um 2,2 Prozent. Daraus folgt ein Kaufkraftverlust der Angestellten in einer Branche, die seit zehn Jahren boomt.

Schneller arbeiten ohne faire Entschädigung

Gemäss der Konjunkturforschungsstelle KOF erwarten die Arbeitgeber im Schweizer Gewerbe branchenübergreifend einen sehr guten Geschäftsgang. Und laut Bundesamt für Statistik (2013-2017) und Prognosen des Konjunkturforschungsbüros BAK Economics (2018-2019) ist die Arbeitsproduktivität um enorme 7,5 Prozent gestiegen. Diese beträchtliche Steigerung erklärt sich durch die immer knapperen Fristen, welche die Arbeitgeber – oft auf Kosten der Gesundheit der Angestellten – verlangen.

Die gesteigerte Arbeitsleistung wird den Angestellten aber nicht über eine anteilmässige Lohnerhöhung weitergegeben. Im Gegenteil: Die Beschäftigten profitieren nicht von der Produktivitätssteigerung. Die Lohnbremse ist auch deswegen stossend, weil verwandte Branchen im Baugewerbe bereits wohlverdiente Lohnerhöhungen gewährt haben (z.B. 160 Franken über zwei Jahre für Maurer und 100 Franken für Elektriker zusätzlich zum Teuerungsausgleich).

Erwartungen auf den Baustellen

Das Unia-Aktionskomitee der Arbeitnehmenden im Westschweizer Ausbaugewerbe reagiert auf die Ergebnisse der Lohnumfrage mit einer klaren Forderung an die Arbeitgeberverbände: Die Arbeitgeber müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und endlich ihren Beitrag zur Unterstützung der Kaufkraft der privaten Haushalte leisten. Für die Gewerkschaftsdelegierten ist nicht vorstellbar, dass ihre 22’000 Kolleg/innen weiterhin immer schneller arbeiten müssen und dabei leer ausgehen, sodass sie und ihre Familien sich kaum Freizeitaktivitäten leisten können.

Über den Teuerungsausgleich hinaus fordern sie eine Erhöhung der Mindest- und Effektivlöhne um 100 Franken. Das ist absolut realistisch und gerechtfertigt. Das Aktionskomitee sieht sich gezwungen, Kampfmassnahmen auszurufen, sollten die Arbeitgeberverbände weiterhin abblocken und keine Gesprächsbereitschaft zeigen.