Unia prangert üble Arbeitsbedingungen bei Nespresso an

Die Arbeitsbedingungen in den drei Westschweizer Produktionsstätten von Nespresso haben sich in den letzten Monaten stark verschlechtert. Wie das Personal berichtet, haben Stress und Erschöpfung einen Höchststand erreicht. Eine Situation, die heute Morgen in Lausanne vor der Nespresso-Boutique an der Place St. François öffentlich angeprangert wurde. Die Unia bereitet eine Beschwerde bei den zuständigen Arbeitsaufsichtsbehörden vor. Die Gewerkschaft verlangt eine Anpassung der Arbeitszeiten, eine externe Untersuchung der Arbeitsbedingungen, die Achtung der Koalitionsfreiheit sowie die Anerkennung der Gewerkschaftsdelegierten. Nachdem sich die Direktion monatelang taub gestellt hat, muss sie nun unverzüglich Massnahmen ergreifen!

Seit der Einführung eines Vier-Schicht-Betriebs arbeiten die Beschäftigten der drei Nespresso-Standorte von Orbe, Avenches und Romont unter schwierigen Bedingungen. Die Unia hat im November 2019 eine Umfrage durchgeführt, an der sich rund 50% der Produktionsmitarbeitenden beteiligt haben. Die Umfrage hat ergeben, dass fast drei Viertel der Beschäftigten die Arbeitsbedingungen als «sehr stressig» empfinden. Die Unia hat heute Vormittag in Lausanne die Öffentlichkeit mit einer Flugblattaktion vor der Nespresso-Boutique an der Place St. François auf diese Missstände hingewiesen. 

Bis 58 Stunden pro Woche

Neben der chronischen Unterbelegung und einer hohen Fluktuationsrate sehen die Angestellten die Ursache für die Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen in der Einführung des Vier-Schicht-Betriebs von viermal acht Stunden. Tatsächlich sind 90% der Ansicht, dass sich die Arbeitsbedingungen im Jahr 2019 deutlich verschlechtert haben. Um eine durchgehende Produktion während 7 Tagen pro Woche rund um die Uhr gewährleisten zu können, arbeiten die Angestellten einmal im Monat bis zu 58 Stunden in der Woche und an zwei Wochenenden im Monat 12 Stunden am Stück, ohne jemals mehr als zwei Tage hintereinander frei zu haben. 

Alarmierende Umfrageergebnisse

Eine solche Arbeitsorganisation führt laut den Befragten zu Erschöpfung und Stress und verunmöglicht, das Berufs- und Privatleben miteinander in Einklang zu bringen. Praktisch alle Angestellten fühlen sich aufgrund ihrer Arbeitszeiten «sehr müde». 60% der Beschäftigten gedenken, bald eine neue Stelle zu suchen. 70% der Befragten geben an, die Schichtgruppen seien verkleinert worden, was zu mehr Druck geführt habe. Die Unia hat schon im Mai 2018 auf diese Situation hingewiesen.

Forderungen der Unia

Die zentrale Forderung, welche die Unia im Namen der Beschäftigten stellt, ist die Rückkehr zu weniger gesundheitsschädigenden Arbeitszeiten und damit verbunden die Verminderung von Stress. Die Gewerkschaft fordert ausserdem, dass das Arbeitsmedizinische Institut (IST) der Universität Lausanne beauftragt wird, eine umfassende Analyse der Situation durchzuführen. Und nicht zuletzt muss Nespresso als Arbeitgeber die Koalitionsfreiheit respektieren und die Gewerkschaftsdelegierten anerkennen, entsprechend den offiziellen Empfehlungen der Nestlé-Personalpolitik.

Beschwerde bei der Arbeitsaufsichtsbehörde

Die Direktion ist trotz mehrfacher Aufforderung nicht konstruktiv und mit der gebotenen Dringlichkeit auf die Forderungen eingegangen. Die Frage der Anerkennung der Gewerkschaft Unia als Sozialpartnerin ist seit mehreren Jahren hängig. Das ist inakzeptabel, wie auch die IUL (Internationale Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant-, Catering-, Tabak und anverwandte Arbeitnehmerverbände) gegenüber der Geschäftsführung von Nespresso festgehalten hat. Angesichts des fehlenden Willens und der Verzögerungstaktik der Unternehmensleitung hat die Unia beschlossen, die in den Produktionsstätten herrschenden Probleme an die zuständigen Arbeitsaufsichtsbehörden zu melden (die Beschwerden werden derzeit erarbeitet). Die Gewerkschaft und die Beschäftigten erwarten von Nestlé Nespresso SA eine rasche und angemessene Reaktion auf die dargelegten Probleme.