Self-Scanning und -Checkout, die Studie

SCO-Bereich bei einem Schweizer Detailhandelsunternehmen

Wie wirken sich Self-Scanning- und Self-Checkout-Kassen (SCO) auf das Verkaufspersonal im Detailhandel aus? Dieser Frage ist erstmals die Universität Bern in einer qualitativen Studie nachgegangen. Veränderte Berufsbilder, Multitasking, Stress, Belästigungen, Zukunftsängste und unzureichende Aus- und Weiterbildung sind die hauptsächlichen Folgen.

Digitalisierung verändert den Detailhandel. Mit Self-Scanning- und Self-Checkout-Systemen, kurz SCO, sollen die Wartezeiten der Kundinnen und Kunden verkürzen. Sie wickeln Einkauf und Bezahlung selbständig ab – mit Self-Scanning-Geräten oder an den Self-Checkout-Kassen. Viele Detailhandelsangestellte haben ihren Beruf ergriffen, weil sie gerne beraten, den Kontakt zu den Mitmenschen schätzen und den Kundinnen und Kunden ein angenehmes Einkaufserlebnis bieten möchten. Durch den Einzug der Digitalisierung verändern sich die Berufe der Detailhandelsangestellten.
 
Das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern hat eine qualitative Studie anhand von ausführlichen Interviews mit SCO-Kassenpersonal durchgeführt. Die Studie beleuchtet erstmals die Ansichten des Personals und befasst sich mit den «Auswirkungen von Self-Checkout und Self-Scanning auf die Arbeitsbedinungen, die Gesundheit und das berufliche Selbstverständnis des Verkaufspersonals im Detailhandel.» (PDF) Im Folgenden die wichtigsten Ergebnisse.

Selbstbedienungskassen: Mehr Stress für das Verkaufspersonal

Der Arbeitsalltag und das Berufsbild verändern sich

Das Kassenpersonal übernimmt viele neue Aufgaben, dabei ist vor allem das Überwachen und Kontrollieren der SCO-Kassen zentral. Die Angestellten nehmen sich vermehrt als «Teil der Maschine» wahr und empfinden sich als überflüssig und machtlos. Die Kund/innen behandeln die Angestellten teilweise respektlos und greifen sie verbal oder gar physisch an. Frauen sind vermehrt abwertenden und sexistischen Kommentaren ausgesetzt. Die ehemals Angestellte Claudia Schärer sagt dazu: «Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Leute denken: ‹Ja, wenn die Kassiererinnen da nur stehen, warum muss ich dann deren Gehalt mitfinanzieren? Warum sind dann die Produkte so teuer? Die macht ja keine Arbeit.›»

In Stosszeiten wird es hektisch: Mehrere Kassen auf einmal überwachen, Kund/innen bei technischen Problemen unterstützen und weitere Aufgaben verlangen von den Angestellten Multitasking ab. «Wir müssen geradeausschauen, ob im SCO-Bereich alles gut ist und läuft, wir müssen schräg schauen, wie viele Leute an die Sitzkassen kommen und wir müssen den Ausgang im Auge behalten, ob Leute gehen ohne zu zahlen. Das ist Stress pur», beschreibt Eva Amstutz Momente der Kundenströme. Das wird für die Angestellten immer problematischer. Die Anforderungen an die Arbeit steigen kontinuierlich an, sei es technischer oder kommunikativer Natur, die Weiterbildungen dazu fehlen jedoch. «Im Detailhandel verändert sich alles so schnell. Die Ausbildung reagiert viel zu langsam um sich den schnellen Veränderungen anpassen zu können», erläutert der Detailhandelsangestellte Markus Häberli.

Sparmassnahmen und wachsender Druck

Das birgt auch Zukunftsängste. Besonders für weniger qualifizierte Angestellte, die auch oft an den SCO-Kassen arbeiten. Zum einen empfinden sie die SCO-Kassen abwertend für ihren Beruf. Zum andern haben sie Angst, dass herkömmliche Kassen ganz verschwinden. Und somit auch Arbeitsstellen wegrationalisiert werden. «Ja, wir haben noch viel mehr gemerkt, dass unsere Arbeit, dass wir ersetzbar sind. Dass die Arbeit, die man macht, von einem Computer gemacht werden kann», erklärt Caroline Röthlisberger. Deshalb braucht es umso mehr Weiterbildungen für weniger qualifiziertes Personal . Dies betrifft mehrheitlich Frauen, die oft Teilzeit oder zum Stundenlohn arbeiten.

Die Angestellten erleben zudem viel Druck, weil die Unternehmen bei den Stellenprozenten oder den Einsatzstunden des vorhandenen Personals sparen. Sie nehmen eine starke Flexibilität in Kauf und fangen die Probleme der knappen Personalressourcen auf. Dies gipfelt in dem Gefühl, nicht krank werden zu dürfen, um nicht die Kündigung zu riskieren.«Die sagen dir dann auch, wenn du schon krank warst, dass du bis zum Ende des Jahres nicht mehr krank werden darfst. Und dann? Gehst du trotzdem arbeiten. Mit 40 Grad Fieber? Wir hatten eine, die hat das gemacht und die ist dann zusammengebrochen. Was willst du machen? Das mit den Personalkosten, die gespart werden, das ist schon extrem», führt Caroline Röthlisberger weiter aus und ergänzt: «Das ist der Druck von aussen, von oben, von der Chefetage. Wir haben ein super Team. Wir helfen einander. Aber der Druck von oben ist in dem Sinne unmenschlich.»

Die physische und psychische Gesundheit ist gefährdet

Wer an SCO-Kassen arbeitet steht lange. Oft stundenlang, ohne sich hinsetzen zu dürfen. Das belastet die Angestellten physisch sehr. Silke Meier beschreibt es so: «Ja, teilweise müssen die Kolleginnen bis zu acht Stunden im Self-Checkout-Bereich stehen, zumindest die, die in 100 Prozent angestellt sind. Das sind sehr lange Zeiten, das schaffen nicht alle.»

Die Angestellten müssen viele unterschiedliche Aufgaben erfüllen, was aber nicht gleichzeitig machbar ist. Dies führt zu unmenschlicher Belastung, Überforderung und Stress. Auf der anderen Seite gibt es Zeiten der akuten Langeweile und Unterforderung, wenn die Kundschaft ausbleibt. Doch hinsetzen darf sich das SCO-Personal auch dann nicht, wie es Claudia Schärer beschreibt: «Lange Einsätze waren hart, vor allem, wenn nichts los war. Die Zeit vergeht einfach gar nicht und du denkst die ganze Zeit: ‹Oh Gott, bitte, ich kann nicht mehr!› Du musst einfach dastehen. Du darfst dich nicht anlehnen, nicht hinsetzen, du musst stehen.»

Digitalisierung muss im Dienste der Angestellten stehen

Digitalisierung muss Verkaufsberufe und die Löhne aufwerten. Die Unia und ihre Mitglieder appellieren an die Arbeitgeber, diese Gelegenheit zu nutzen. Es gibt Konkrete Vorschläge, wie die Unternehmen die Situation für ihre Angestellten verbessern können. Es geht um die Zukunft einer Branche, die jedes Jahr tausende von Jugendlichen ausbildet. Um die Zukunft einer Branche, die immer mehr auf motiviertes und gut ausgebildetes Personal zählen muss, damit sie für die digitale Herausforderung gerüstet ist.