Plattform-Angestellte um Hunderte Millionen geprellt, Behörden müssen jetzt handeln

Plattform-Unternehmen wie Uber umgehen systematisch Schweizer Gesetze. Der Schaden für die Beschäftigten und für die öffentliche Hand geht in die Hunderte Millionen Franken. Eine neue Studie zeigt auf, wie die Behörden der «Uberisierung» entgegentreten und die Rechte der Arbeitnehmenden durchsetzen können. Die Gewerkschaft Unia fordert Bund und Kantone zu raschem Handeln auf.

Prof. Kurt Pärli von der Universität Basel stellt an der Medienkonferenz seine neue Publikation «Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragen der Sharing Economy» (Schulthess Verlag) vor. Er legt detailliert anhand von arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen dar, weshalb Plattform-Beschäftigte in der Regel als Unselbständige bzw. Angestellte gelten müssen. Er zeigt, dass es für die Beschäftigten einen grossen Unterschied macht, ob sie als Selbständige oder Angestellte arbeiten: Die Versicherungsabdeckung für Angestellte ist deutlich umfassender, was z.B. im Falle eines Arbeitsunfalls bedeutende Auswirkungen hat.

Dazu kommt: Eine weitere Ausbreitung von Plattform-Beschäftigungsverhältnissen, die auf scheinbar «selbständige», aber de facto angestellte Arbeiter/innen setzt, würde zu einem erhöhten Druck auf die Löhne der Beschäftigten, aber auch auf die Sozialversicherungen führen.

Uber schuldet Fahrer/innen fast eine halbe Milliarde Franken

Das eklatanteste Beispiel einer Missachtung der Gesetze durch einen Plattform-Konzern ist der Fahrdienst Uber, dessen Geschäftsmodell komplett auf Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit basiert. Der Unia-Transportverantwortliche Roman Künzler zeigt anhand einer konkreten  Schätzung, wie viel Geld Uber seinen Fahrer/innen in der Schweiz schuldig bleibt: jährlich zwischen 63 und 99 Millionen Franken. Seit 2013, als Uber auf den Schweizer Markt drängte, hat Uber seine Chauffeur/innen um bis zu einer halben Milliarde Franken betrogen!

Auch die Sozialversicherungen erleiden durch Uber einen grossen finanziellen Schaden. Da die Uber-Fahrer/innen sich nicht als Selbständige anmelden können (weil sie keine Selbständigen sind), werden sie in sozialversicherungsrechtliche Schwarzarbeit gedrängt. So entgehen den verschiedenen Sozialversicherungen nach Schätzungen der Unia jährlich rund 20 Millionen Franken an Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen. Für die sechs Jahre, die Uber in der Schweiz aktiv ist, summiert sich dieser Betrag auf deutlich über 100 Millionen Franken.

Die Behörden sind in der Pflicht

Angesichts solcher Dimensionen dürfen die Behörden nicht länger zusehen und darauf warten, dass Arbeitnehmende ihre Rechte gerichtlich einklagen. Die kantonalen und eidgenössischen Behörden müssen ihre Pflicht wahrnehmen und die Gesetze durchsetzen. Verschiedene Behörden haben die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung, von sich aus aktiv zu werden:

  • Die kantonalen Arbeitsämter können feststellen, dass ein Betrieb dem Arbeitsgesetz unterstellt ist (Art. 41 Abs. 3 ArG);
  • die kantonalen Kontrollorgane müssen prüfen, ob sozialversicherungsrechtliche Schwarzarbeit vorliegt (Art. 6 BGSA);
  • die AHV-Ausgleichskassen sind verpflichtet, die Erfassung aller Beitragspflichtigen zu kontrollieren (Art. 63, Abs. 2 AHVG);
  • das SECO soll die Bemühungen der Kantone koordinieren, damit diese die Gesetze und den Arbeitnehmerschutz durchsetzen (Art. 42 Abs. 1-4 ArG);
  • das Bundesamt für Sozialversicherungen sollte den kantonalen Ausgleichskassen besondere Kontrollen über die Erfüllung der Beitragspflichten durch Plattform-Unternehmen vorschreiben, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch diese Firmen zu prüfen (Art. 129 Abs. 2 AHVV).

Keine politische Legitimation des Dumpings

Unia-Präsidentin Vania Alleva erteilt zudem politischen Irrwegen, welche das Plattform-Dumping legalisieren wollen, eine Absage: Sowohl der FDP-Vorschlag eines «dritten Status» neben selbständig und unselbständig als auch die parlamentarische Initiative von GLP-Nationalrat Jürg Grossen zur stärkeren Berücksichtigung der «Parteivereinbarungen» bei der Einstufung durch die Sozialversicherungen würden zu extremer Rechtsunsicherheit führen und es Arbeitgebern erleichtern, sich aus der Verantwortung zu stehlen.