Die Bauarbeiter fordern mehr Schutz für ihre Gesundheit und ein Ende des Stundenklaus!

Ende Jahr läuft der Landesmantelvertrag (LMV) des Bauhauptgewerbes aus und muss neu verhandelt werden. Über 17’500 Bauarbeiter haben im vergangenen Herbst über ihre Forderungen für den neuen Vertrag abgestimmt. Das Votum zeigte, dass die Bauarbeiter mehr Schutz ihrer Gesundheit brauchen und den Stundenklau bei der Reisezeit und bei Schlechtwetter stoppen wollen. Die Gewerkschaften Unia und Syna präsentierten heute an einer Medienkonferenz die Forderungen der Bauarbeiter. Die Vertragsverhandlungen mit dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) haben am 28. Februar 2022 begonnen.

«Dieses Jahr geht es für die Bauarbeiter um sehr viel. Der LMV, in dem die Mindestarbeitsbedingungen geregelt sind, läuft Ende Jahr aus. Ohne LMV wäre alles möglich: kein Mindestlohn, kein 13. Monatslohn, eine 50-Stundenwoche und Entlassung bei Krankheit», unterstrich Nico Lutz, Verhandlungsleiter und Bauverantwortlicher der Unia, die Wichtigkeit der Verhandlungen.

Forderungen für mehr Schutz, weniger Druck und ein Ende des Stundenklaus

Die Bauarbeiter legten in einer breiten Abstimmung, an der sich im letzten Herbst über 17'500 Bauarbeiter auf den Baustellen beteiligten, ihre Hauptforderungen fest:

  • Eine wichtige Forderung ist ein besserer Schutz bei Schlechtwetter. Das umfasst klare Kriterien, wann die Arbeit eingestellt wird. Weder darf der Lohn der Bauarbeiter bei Schlechtwetter gekürzt werden, noch sollen sie alleine das Risiko tragen und alle Ausfälle nacharbeiten müssen.
  • Kürzere Arbeitstage, bezahlte Pausen und mehr Ferien wurden von den Bauarbeitern als entscheidend erachtet, um dem steigenden Termin- und Zeitdruck entgegenzuwirken.
  • Um zu verhindern, dass immer mehr ältere Bauarbeiter einfach auf die Strasse gestellt werden, braucht es für diese einen besseren Kündigungsschutz.
  • Die Reisezeit vom Betrieb zur Baustelle muss in Zukunft gänzlich bezahlt sein. Heute wird jeden Tag eine halbe Stunde gar nicht bezahlt, was rechtswidrig ist. Bis zu 100 Stunden pro Jahr leisten die Bauarbeiter so gratis.
  • Die Hygiene-Situation auf Baustellen ist heute zum Teil katastrophal. So fordern die Bauarbeiter, dass mehr Toiletten aufgestellt werden und die Reinigung dieser Anlagen regelmässig erfolgen muss.

Fachkräftemangel als Folge des steigenden Drucks

Verschiedene Faktoren weisen darauf hin, dass es in der Branche dringenden Handlungsbedarf gibt, die Arbeitsbedingungen attraktiver zu machen:

  • Die Zahl der Lehrlinge, welche in die Bauberufe einsteigt, hat sich in den letzten 10 Jahren faktisch halbiert.
  • Jeder zweite Bauarbeiter steigt über kurz oder lang aus dem Beruf aus und wechselt die Branche.
  • Der Fachkräftemangel akzentuiert sich dadurch auf allen Stufen. Es fehlen heute nicht nur die qualifizierten Bau-Fachleute, sondern in verstärktem Ausmass auch die Baukader – vom Vorarbeiter über den Polier bis zum Bauführer.
  • In den kommenden Jahren kommt zudem die Babyboomer-Generation ins Pensionsalter und rund jede zweite Polier-Stelle muss neu besetzt werden.

Für Johann Tscherrig, Branchenverantwortlicher Bau der Gewerkschaft Syna, ist es deshalb klar, dass die Arbeitgeber in der markant guten Konjunkturlage in eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen investieren müssten. «Von den Vorteilen der guten konjunkturellen Aussichten spüren die Bauarbeiter leider nicht viel – im Gegenteil. Mit dem Bau-Boom steigt der Personalbedarf im Bauhauptgewerbe. Der schon bestehende Fachkräftemangel wird sich also kurzfristig noch akzentuieren. Für die Angestellten bedeutet das noch mehr Arbeit in noch kürzerer Bauzeit», warnt er.

Baumeister verlangen noch mehr Überstunden und weniger Lohn

Doch der Baumeisterverband fordert stattdessen längere Arbeitstage, noch mehr Überstunden und gleichzeitig Lohnabbau. Und der Baumeisterverband hat schon letzten Herbst öffentlich mit einem vertragslosen Zustand gedroht, falls die Bauarbeiter nicht auf ihre Abbau-Forderungen eingehen.

In dieser Ausgangslage ist für Nico Lutz aber klar: «Die Bauarbeiter können und werden keine Verschlechterungen im Vertrag akzeptieren. Sie haben berechtigte Forderungen und sind bereit, sich für diese einzusetzen. Die grosse Beteiligung an der Abstimmung der Gewerkschaften hat gezeigt, dass den Bauarbeitern ein besserer Vertrag wichtig ist und sie bereit sind, dafür zu kämpfen.»