Umsetzung Pflegeinitiative: Richtige Stossrichtung, doch Dringlichkeit der Lage wird nicht anerkannt

Die Mitglieder des nationalen Branchenvorstands Pflege haben den Beschluss des Bundesrates zur Umsetzung der Pflegeinitiative zur Kenntnis genommen. Insbesondere begrüssen sie, dass strengere Vorschriften zur Dienstplanung vorgesehen sind, und dass der Bundesrat die Rolle der Gesamtarbeitsverträge (GAV) anerkennt. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen muss aber auch finanziert werden. Zudem braucht es in der Zwischenzeit dringend Sofortmassnahmen, um den Pflege-Exodus zu stoppen.

Die Mitglieder des nationalen Branchenvorstands Pflege der Unia haben gestern Abend den Beschluss des Bundesrates zum zweiten Paket der Pflegeinitiative diskutiert. Insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben ist in der Pflege ein grosses Problem: Bereits in der Unia-Umfrage von 2018 gaben 81 Prozent der Pflegenden an, dass ihre sozialen und familiären Verpflichtungen durch häufige Dienstplanänderungen zu kurz kommen. Die Pflegenden begrüssen deshalb, dass der Bundesrat dieses Problem nun in einem Gesetz angehen will.

Anerkennung der Rolle der Gesamtarbeitsverträge

Ebenso diskutierten sie die Rolle, die der Bundesrat den Gesamtarbeitsverträgen zuschreibt – die Aushandlung von GAV ist die Voraussetzung für gute Arbeitsbedingungen. «Gesamtarbeitsverträge ermöglichen es uns, an unseren Arbeitsbedingungen demokratisch mitzuwirken. Schliesslich wissen wir am besten, was es für eine gute Pflege braucht.», so Paula Will, Lernende AGS und Mitglied des nationalen Branchenvorstands Pflege der Unia. Ein Gesamtarbeitsvertrag ist aber noch keine Garantie für gute Arbeitsbedingungen, es braucht definierte Mindeststandards, die nicht unterschritten werden dürfen.

Skill-Grade-Mix: Empfehlungen durch Arbeitgeberverbände reichen nicht

Die Pflegenden erachten es als problematisch, dass die Arbeitgeberverbände selbständig Empfehlungen zum Skill-Grade-Mix ausarbeiten sollen. Erstens sind reine Empfehlungen nicht verbindlich, zweitens müssen für die Definition von minimalen Personaldotationen in Bezug auf die Anzahl Betten und Pflegebedarf zwingend die Arbeitnehmenden einbezogen werden, denn sie sind es, die davon betroffen sind und täglich am Bett arbeiten.

Personalverleih ist keine Lösung für Personalmangel

Die Pflegenden begrüssen, dass sich der Bundesrat auch Überlegungen macht, Personalpools obligatorisch zu erklären. Sie sehen den Verweis auf die Personalverleiher aber kritisch. Wichtiger ist es, dass die Arbeitsbedingungen und Stellenschlüssel in den Institutionen so ausgestaltet sind, dass nicht auf verliehenes Personal zurückgegriffen werden muss. Denn dies belastet die Festangestellten und kann die Arbeitsbedingungen zusätzlich unter Druck setzen.

Finanzierungsproblem ungelöst

Wichtig ist nun, dass sich diese dringend benötigten guten Arbeitsbedingungen auch finanzieren lassen. Letztendlich sind es die Pflegefinanzierung und die damit verbundenen Sparmassnahmen, welche das Gesundheitswesen und insbesondere die Pflegenden in die aktuelle Lage gebracht haben. Es braucht gemeinwirtschaftliche Leistungen der öffentlichen Hand, um die Grundversorgung und gute Arbeitsbedingungen zu gewährleiten. Eine zusätzliche Finanzierung über Krankenkassenprämien wäre unsozial.

Dringend Sofortmassnahmen benötigt

Insbesondere kritisch diskutiert wurde der Zeitplan des Bundesrates. Angesichts der kritischen Lage um die Versorgungssicherheit muss der Bundesrat die Erarbeitung des Gesetzes beschleunigen. In der Zwischenzeit braucht es dringend Sofortmassnahmen, wie sie die Pflegenden bereits im November auf dem Bundesplatz einforderten. Zurzeit verlassen mehr als 300 Pflegende monatlich den Beruf, was eine gute Pflegeversorgung verunmöglicht.