Teuerungsausgleich nur für die Teppichetage

Anlässlich einer Strassenaktion unter dem Motto «Alles wird teurer – Wir drehen am Rad!» hat die Gewerkschaft Unia heute in Bern ihre jährliche «Lohnschere-Studie» vorgestellt. Die Untersuchung misst die Lohnungleichheit in 37 mehrheitlich börsenkotierten Schweizer Konzernen.

Das Verhältnis zwischen dem höchsten und dem tiefsten bezahlten Lohn innerhalb jedes Unternehmens lag 2022 bei 139:1. Die höchste Lohnschere findet sich mit 307:1 weiterhin bei Roche. Bei den «Bad Ten», den Unternehmen mit den grössten Lohnunterschieden, öffnet sich die Lohnschere seit 2018 stetig. Bei den Spitzenverdienern erhöhten sich die festen Lohnbestandteile (ohne Boni) im vergangenen Jahr etwa im Ausmass der Teuerung.

Gewinne und Ausschüttungen an Aktionäre: Trend nach oben

Auch die Unternehmensgewinne und die Kapitalausschüttungen an die Aktionäre liegen in den untersuchten Betrieben deutlich über dem Niveau des Jahres 2018. Die Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe summierten sich im vergangenen Jahr auf 76 Milliarden Franken. Das entspricht ungefähr den ordentlichen Einnahmen des Bundes. Die Unternehmen hätten «Covid-Pandemie, Lieferkettenprobleme, Inflation und Krieg in der Ukraine» benutzt, um die Managerlöhne und die Kapitalausschüttungen an die Aktionäre zu steigern, erklärte Unia-Ökonom Magnus Meister in seiner Rede.

Reallohnverluste für Arbeitnehmende mit Tieflöhnen

Während Meister die Exzesse auf der «Schokoladen-Seite» der Lohn- und Einkommensungleichheit beleuchtete, beschäftigte sich Unia-Präsidentin Vania Alleva mit denen, die dafür bezahlen mussten: Die einfachen Arbeitnehmenden konnten in den letzten beiden Jahren von einem Teuerungsausgleich nämlich nur träumen. Darum sind die Tiefstlöhne in den untersuchten Konzernen teuerungsbereinigt unter dem Niveau des Jahres 2017 gesunken.

Alleva bezeichnete diese zunehmende Lohnungerechtigkeit in den Top-Konzernen als empörend und fragte: «Warum verwenden diese Unternehmen nicht einen kleinen Teil ihrer Milliardengewinne, um wenigstens halbwegs anständige Löhne über der Tieflohnschwelle zu zahlen?» Dafür gebe es einfach keine akzeptable Begründung.

Es braucht generelle Lohnerhöhungen!

Um die laufende Umverteilung von unten nach oben endlich zu stoppen, fordern die Gewerkschaften in diesem Herbst generelle Reallohnerhöhungen für alle und Mindestlöhne von 4500 Franken. Wo es keine Gesamtarbeitsverträge mit verbindlichen Mindestlöhnen gibt – zum Beispiel im Detailhandel und in der Langzeitpflege – müssen sie dringend eingeführt werden.

Um diesen Forderungen Nachdruck zu verschaffen, rief Alleva zur Teilnahme an der gewerkschaftlichen Kaufkraft-Demo vom 16. September in Bern auf: «Die Arbeitgeber müssen endlich verstehen, dass die Zeit der Ausflüchte vorbei ist. Der verpasste Teuerungsausgleich seit 2021, die weiter steigenden Preise in diesem Jahr und die ebenfalls gestiegene Arbeitsproduktivität: Das macht zusammen locker 5 Prozent aus! Die Löhne müssen rauf! Und zwar heftig! Die Arbeitnehmenden haben es längst verdient.»