Gewerkschaftliche Mobilisierung wirkt: Löhne halten wieder mit Teuerung mit

Generelle Reallohnerhöhungen vor allem im Gewerbe und in wichtigen Verträgen des Dienstleistungsbereichs bringen für 700’000 Arbeitnehmende eine bitter nötige Kaufkraftstütze. Um die Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmenden zu stoppen, werden im kommenden Jahr aber noch stärkere Mobilisierungen nötig sein.

Gegen 20'000 Arbeitnehmende protestierten am 16. September an der nationalen Kaufkraft-Mobilisierung in Bern für mehr Lohn. Am 7. Oktober legten 1200 Gebäudetechniker und Elektrikerinnen mit einer Demonstration in Zürich nach. Jetzt zeigt sich: Bewegung ist gesund, auch für das Portemonnaie.

Generelle Lohnerhöhungen im Gewerbe

In ihren grössten Gewerbeverträgen hat die Unia mehr als den Teuerungsausgleich erreicht: plus 120 Franken generell in der Gebäudetechnik, was bei den niedrigeren Löhnen 2,5 Prozent und mehr entspricht; 124 Franken generell im Vertrag des «Second Oeuvre» der Romandie; 2,2 Prozent generell für die Elektriker:innen. Hinzu kommen gute Abschlüsse im Carosseriegewerbe (plus 125 Franken generell), in den Gebäudehülle-Berufen (plus 100 Franken generell), im Isoliergewerbe und in verschiedenen kantonalen Verträgen.

Praktisch alle gewerblichen Lohnabschlüsse beinhalten auch entsprechende – bzw. sogar noch viel stärkere – Mindestlohnerhöhungen. Von Fall zu Fall gibt es darüber hinaus weitere Verbesserungen zum Beispiel bei der Spesenentschädigung und bei den Ferienansprüchen.

Reallohnerhöhungen auch in Dienstleistungsbranchen

Mehr als den Teuerungsausgleich gibt es auch in wichtigen Unia-Verträgen der Dienstleistungsbranchen. Bei Coop werden die Löhne bis 4800 Franken um 140 Franken generell erhöht, das entspricht 2,9 Prozent bis 3,3 Prozent. Einen automatischen Teuerungsausgleich plus Zulagen nach Dienstjahren gibt es bei der Elvetino AG. In bedeutenden Branchenverträgen werden die Mindestlöhne erheblich angehoben: im Gesamtarbeitsvertrag (GAV) Personalverleih um 3,2 Prozent auf alle Kategorien, in der Unterhaltsreinigung der Deutschschweiz um 2,8 Prozent bis 3 Prozent; im L-GAV des Gastgewerbes um die Teuerung plus 5 Franken.

Hohe Erwartungen in den industriellen Berufen

In den Industriebranchen steht das Gros der Lohnverhandlungen noch an. Die Erwartungen sind nach den Reallohneinbussen der letzten Jahre hoch. Dass sie erfüllt werden können, zeigt zum Beispiel der Abschluss bei der Giesserei Nottaris, wo fast alle Arbeitnehmenden 4 Prozent mehr Lohn erhalten. Beim Nahrungsmittelproduzenten Wander steigen die Mindestlöhne um 200 Franken und die Effektivlöhne um 2,3 Prozent (generell + individuell). In der Ziegelindustrie schliesslich gibt es branchenweit +120 Franken generell, was ca. 2,7 Prozent entspricht.

Nach wie vor grosser Nachholbedarf

Die bis jetzt vereinbarten Lohnerhöhungen bringen mehr als den Teuerungsausgleich für nicht weniger als 700’000 Arbeitnehmende. Wichtig ist, dass fast überall generelle und nicht individuelle Lohnerhöhungen vereinbart werden konnten. Weil die Branchenverträge vom Bundesrat in der Regel für allgemeinverbindlich erklärt werden, gelten diese Verbesserungen für alle Beschäftigten in der jeweiligen Branche. Positiv ist ebenfalls, dass sich der automatische Teuerungsgleich wieder stärker etabliert.

Dennoch bleibt ein grosser Nachholbedarf bestehen. Die bisherigen Abschlüsse können die in den Jahren 2021 und 2022 aufgelaufenen Reallohneinbussen von durchschnittlich 2,7 Prozent nämlich nicht kompensieren. Kommt hinzu, dass Ausreisser nach unten, wie die vom Baumeisterverband durchgestierte Nullrunde im Bauhauptgewerbe, das Gesamtbild beeinträchtigen. Um die Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmenden zu stoppen, sind im kommenden Jahr darum noch weit stärkere Mobilisierungen nötig.

Tabelle der Lohnabschlüsse 2023

GAV Effektivlöhne Mindestlöhne Weiteres
Personalverleih   3,2% auf alle Mindestlöhne Bis 2027 Teuerungsausgleich auf Mindestlöhne + reale Erhöhung um 30-60 CHF je nach Kategorie
Carrosseriegewerbe +125 CHF generell (Plafonds bei 6700 CHF) Nicht-Qualifizierte: +75 CHF  
Elektriker:innen 2,2% generell Separat im GAV  
Gebäudehülle D-CH + TI +100 CHF generell + 1.6%
Lernende: +100 CHF
Mittagsentschädigung: +2 CHF, 1 Ferientag
Gebäudetechnik +120 CHF generell (=+2,4% bei einem Lohn von 5000 CHF) Je nach Kategorie +100 bis +400 CHF  
Isoliergewerbe Anhebung auf Mindestlohnstufe + 1,7% generell (bis 5950 CHF)   Mittagsentschädigung: +1 CHF
SOR Second œuvre romande +124.40 CHF generell Je nach Kategorie +106 bis +133 CHF 2025, 2026 und 2027 jeweils automatischer Teuerungsausgleich (bis 1,5%) + 44 CHF Reallohnerhöhung
Autogewerbe VS 2,3% generell +110 CHF 2 Ferientage
Autogewerbe UR +80 CHF +80 CHF  
Glaser Bern +70 CHF generell +30 CHF individuell Je nach Kategorie +1,4% bis +3,45% CHF  
Coop + 140 CHF generell bis 4800 CHF (+2.92% bis 3.33%). Lohnsumme total + 2,2% Je nach Kategorie +2.44% bis +6.97% Gutscheine 300-600 CHF
elvetino AG Automatischer Teuerungsausgleich + jährliche Erfahrungszulagen Automat. Teuerungsausgleich Reduktion Arbeitszeit auf 41 Std/Woche, Sonntagszuschlag
L-GAV des Gastgewerbes   2,2% + 5 CHF auf alle Mindestlöhne  
Reinigung D-CH   Unterhaltsreinigung: +0.60 CHF/Std = 2.83-2.97% +8 % für die Jahre 2022 bis 2024
Sicherheitsbranche   1,6% bis 1,8% je nach Kategorie  
Nottaris AG (BE) 4% generell   + Pauschalen 500-2000 CHF
Wander (BE) 1.09% generell +1,24 individuell +200 CHF  
Ziegelindustrie +120 CHF (entspricht ca. 2,7%) +100 CHF (ab 23 Jahre)