Notschlafstelle Bau: Bauarbeiter müssen im Dreck übernachten

Unhaltbare Zustände auf einer Baustelle im Herzen von Bern: Seit Wochen müssen in Ungarn angeheuerte Bauarbeiter vor Ort essen, schlafen, überleben – zwischen Dreck und Werkzeug. Damit nicht genug. Die Beschäftigten wurden um Tausende Franken Lohn geprellt. Erst nach einer Protestaktion heute Donnerstagmorgen vor der Baustelle wurden die Löhne ausbezahlt. Der Fall zeigt auch, dass die flankierenden Massnahmen aus- und nicht abgebaut werden müssen.

An der Konsumstrasse 10, wenige Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt, wird gebaut. Doch beim Umbau des Mehrfamilienhauses geht es nicht mit rechten Dingen zu, wie die Unia bei einem Baustellenbesuch am Mittwoch herausfand. Mehrere in Ungarn rekrutierte Arbeiter schaffen nicht nur am Arbeitsplatz, sie mussten dort auch überleben: auf baren Matratzen am Boden, mit einem dreckigen WC neben einem behelfsmässigen Wasserboiler und einer notdürftigen Dusche zwischen halbabgerissenen Wänden. Und das bereits seit Mitte November. Die Unia brachte die 5 Arbeiter gestern Mittwoch umgehend in einem Berner Hotel unter, um sie aus den unhygienischen und erniedrigenden Umständen herauszuholen.

Arbeiter sollten nur 15 Euro in der Stunde erhalten

Zudem werden die Arbeiter offenbar um ihren Lohn betrogen. Die Arbeiter wurden dem Amt für Wirtschaft als Beschäftigte des Bauhauptgewerbes gemeldet. Die Mindestlöhne in der Branche betragen rund 27 Franken in der Stunde an. Die Firma «Matszbo Team KFT» mit Sitz in Budapest, welche die Arbeitnehmenden entsandt hat, hat ihnen aber nur 15 Euro in der Stunde versprochen. Doch nicht einmal diesen Dumpinglohn hatten die Kollegen bis gestern Mittwoch erhalten. Ebenfalls ausstehend waren Spesen und Zulagen für Unterkunft und Lebensmittel.

Nachzahlung dank Arbeitsunterbruch – es braucht einen Ausbau der flankierenden Massnahmen

Gemeinsam mit den Arbeitern organisierte die Unia am Donnerstagmorgen eine Protestaktion vor der Baustelle, die Arbeit wurde unterbrochen. Dies führte der verantwortlichen «Roga Generalunternehmung GmbH» mit Sitz im Kanton Schwyz die Missstände vor Augen – und veranlasste sie zur sofortigen Nachzahlung der ausstehenden Beträge anstelle des ungarischen Subunternehmers. Diese haben heute die ihnen bisher zustehenden 36'305 Franken erhalten.

Dieser Vorfall zeigt, es braucht einen Ausbau und keinen Abbau der flankierenden Massnahmen. Die Einstellung der Arbeit in  krassen Fällen von Lohndumping ist wirksam und kann solche unwürdigen Arbeits- und Unterbringungssituationen rasch beenden. Es braucht darum einen gezielten Ausbau der flankierenden Massnahmen mit einer entsprechenden Regelung auf nationaler Ebene. Der aktuelle Fall zeigt auch exemplarisch, dass die in der Schweiz anfallenden Spesen auch von Entsendefirmen bezahlt werden müssen. Sonst landen die Arbeitnehmenden – wortwörtlich – im Dreck.

«Dumping setzt Lohnniveau auf ganzem Bau unter Druck»

Stefanie von Cranach, Teamleiterin Bau der Unia Bern / OAE, zeigt sich empört: «Die Arbeiter mussten auf einer dreckigen und schlecht geheizten Baustelle leben. Wie mit ihnen umgegangen wurde,  ist einfach würdelos.» Der Protest habe auch diesen nicht hinnehmbaren Zuständen ein Ende gesetzt.

Sören Niemann, Co-Leiter der Unia Bern / Oberaargau-Emmental, ist froh, dass bereits nach wenigen Stunden erste Lohnzahlungen eingetroffen sind: «Es zeigt sich, wie sehr es sich lohnt, zusammenzustehen und sich für seine Rechte einzusetzen.» Niemann erklärt, dass die zuständige Generalunternehmung nach Offenbarung der Missstände Verantwortung übernommen habe. Der Fall zeigt aber auch, wie gravierend der Lohnbetrug auf dem Bau ist. «Mit solchen Dumpinglöhnen werden nicht nur die ausländischen Arbeiter ausgebeutet, auch das Lohnniveau auf dem gesamten Bau wird so unter Druck gesetzt», so Niemann.