Termindruck auf dem Bau: Gefahr für Gesundheit und Arbeitssicherheit

Bauarbeiter auf einer Baustelle

Die Unia hat eine grosse Umfrage zu Termin- und Zeitdruck auf den Baustellen der Schweiz durchgeführt. 12'000 Bauarbeiter und Poliere haben daran teilgenommen. Ihre Antworten zeigen klar: Der steigende Termindruck ist eine Gefahr. Die Gesundheit leidet unter immer mehr Stress, die Qualität der Arbeit nimmt ab, die Arbeitssicherheit kommt zu kurz.

Termindruck auf dem Bau ist eine wachsende Gefahr. Grobe Baumängel und überlastete Arbeiter sind die Folge. Und noch schlimmer: Termindruck ist tödlich. Im Schnitt stirbt alle zwei Wochen ein Bauarbeiter bei einem Arbeitsunfall – oft ausgelöst durch Zeitdruck und Hektik. Trotzdem drücken Bauherren auf Biegen und Brechen die Termine. Auch, wenn diese von Anfang an unrealistisch sind.

Wir wollten von den Betroffenen wissen, wie sie den Termin- und Zeitdruck auf dem Bau beurteilen und haben im Sommer und Herbst 2019 Bauarbeiter und Poliere befragt. 12'000 haben an der Umfrage teilgenommen. Das sind rund 15 Prozent aller Bauarbeiter in der Schweiz. Die Ergebnisse sprechen für sich und verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf.

Umfrage Termin- und Zeitdruck auf dem Bau: Das sagen die Bauarbeiter

«Wenn wir auf einer Baustelle anfangen, gibt es aufgrund von Planungsfehlern oder unvorhersehbaren Umständen oft schon eine Verspätung, und wir sollen dann den Rückstand aufholen. Das geht auf Kosten unserer Gesundheit und der Arbeitssicherheit», sagt der 22-jährige Marius, ein angehender Maurer. 78 Prozent der Befragten teilen seine Meinung und bestätigen, dass der Termindruck auf den Baustellen in den letzten Jahren zugenommen hat.

Hat der Termindruck auf den Baustellen in den letzten Jahren zugenommen?

Für 73 Prozent der Befragten führt der steigende Termindruck zu mehr Stress. Bei 68 Prozent wirkt er sich negativ auf das Familienleben und die Freizeit aus.

Wenn ja, führt der steigende Termindruck zu mehr Stress?

Hat der steigende Termin- und Zeitdruck eine negative Auswirkung auf dein Leben ausserhalb der Arbeit (Familie, Freizeit)?

Die Gesundheit leidet (55 Prozent), ebenso die Qualität der Arbeit (52 Prozent) und die Arbeitssicherheit (51 Prozent). So empfinden die Befragten die negativsten Auswirkungen des steigenden Termindrucks. Weitere häufig genannte Punkte sind:

  • immer längere Reisezeiten;
  • Arbeiten auch bei Schlechtwetter;
  • die Stimmung im Team leidet;
  • ich weiss nie, wann ich am Abend nach Hause kann.

Was sind die negativsten Auswirkungen des steigenden Termindrucks?

«Unter Stress leidet die Qualität unserer Arbeit»

Das Berufsethos der Bauarbeiter ist gross. Sie sind stolz darauf, was sie bei Hitze und Kälte, Wind und Wetter leisten und sie wollen ihre Arbeit gut machen. Der Bauarbeiter Giuseppe, 49, fasst den Termindruck in diese Worte zusammen: «Wir bauen die Schweiz! Doch unter dem heutigen Stress leidet die Qualität unserer Arbeit. Das ist keine Zukunft für unsere Branche.»

Die Sicht der Poliere – knappe und unrealistische Termine

Ergänzend zur grossen Bauarbeiter-Umfrage wollten wir von den Polieren wissen, wie sich der Druck auf sie auswirkt. Denn als Baustellenverantwortliche sind gerade die Poliere besonders betroffen, wenn es um Termin- und Zeitdruck geht. Knappe Fristen, sich stehts verändernde Pläne, mehr bauen in immer kürzerer Zeit und mit weniger Ressourcen, erschwerte Arbeitsorganisation durch immer mehr Auslagerungen an Subunternehmen – das sind nur einige Punkte, die sie handhaben müssen.

Polier Mauro, 46-jährig und seit 30 Jahren auf dem Bau, schildert die Situation wie folgt: «Die Pläne kommen zu spät, sind unvollständig und ändern permanent. Die Projekte werden immer ambitionierter, die Teams auf der Baustelle jedoch immer kleiner. Wir stehen ständig unter Strom. Das ist die Realität auf immer mehr Baustellen heutzutage.»

Knappe Termine belasten 81 Prozent der befragten Poliere. 83 Prozent sind der Meinung, dass die Bauherren zunehmend unrealistische Termine verlangen. Selbst wenn sich der Baubeginn verzögert, bleiben die Endtermine unverändert, bestätigen 78 Prozent.

Meinung der Poliere stärker miteinbeziehen

Poliere sind die Schlüsselpersonen auf der Baustelle und wissen, worauf es ankommt. Sie sind dafür verantwortlich, zusammen mit ihren Teams die Projekte in die Realität umzusetzen. Deswegen müssen die Bauherren und Bauleitungen sie bei der Terminplanung stärker miteinbeziehen. Das wünschen sich 88 Prozent der befragten Poliere.

Fehlende Ressourcen sind ein Problem, um die Termine ohne Überstunden und Samstagsarbeit einzuhalten, sagen 64 Prozent. 66 Prozent der Poliere geben an, dass Termine manchmal während des Bauens vorverschoben werden. Für 61 Prozent ist klar: Die Arbeitssicherheit kommt aufgrund des Termindrucks zu kurz.

  • Eckdaten zu den Umfragen (klicken zum Aufklappen)

    Dauer: Juni bis Oktober 2019
    Form: In Papierform auf der Baustelle und online
    Teilnehmende: 12'000 Bauarbeiter und Poliere aus der ganzen Schweiz
    Berufe: Maurer, Strassenbauer, Grundbauer, Mineure/Tunnelbauer, Kranführer, Maschinisten, Bau-Poliere
    Arbeitgeber: Hoch- und Tiefbau sowie Tunnelbau-Firmen der Schweiz

Wie weiter mit dem Termindruck auf dem Bau?

Der Termindruck ist eine Gefahr und muss jetzt angepackt werden! Das sagen 76 Prozent der befragten Bauarbeiter.

Sollen wir gemeinsam etwas dagegen tun?

Die Unia organisiert zurzeit Versammlungen in allen Regionen der Schweiz. Da diskutieren die Bauarbeiter die Umfrage-Ergebnisse sowie ihre Forderungen an die Bauherren und Baumeister.

Bereits jetzt ist klar:

  • Termine müssen – wo technisch möglich – ohne Nacht- und Wochenendarbeit realisierbar sein.
  • Für unerwartete Ereignisse muss bei jeder Planung ein entsprechender Zeitpuffer eingeplant werden.
  • Der Termindruck darf nicht auf Kosten der Gesundheit der Bau-Leute gehen: Bei gefährlichem Schlechtwetter oder extremer Hitze muss die Arbeit eingestellt und der Endtermin nach hinten verschoben werden.
  • Es braucht Verbesserungen bei den Arbeits- und Reisezeiten der Bauarbeiter, die im Landesmantelvertrag (LMV) geregelt sind.