Gesetzliche Mindestlöhne

Grosses Transparent "Ja zum Mindestlohn"

In der Schweiz gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn. Es sind die einzelnen Branchen, die ihre Löhne über Gesamtarbeitsverträge (GAV) festlegen. Sie werden von den Sozialpartnern gemeinsam vereinbart. Zudem haben die Kantone und Gemeinden die Möglichkeit, selbst Mindestlöhne vorzuschreiben, was einige von ihnen bereits getan haben. Aktuell wird die kantonale Kompetenz von den Bürgerlichen im Parlament angegriffen. Sie wollen, dass allgemeinverbindliche GAV Vorrang haben.

«Jede Arbeit verdient einen fairen Lohn!»

«Jede Arbeit verdient einen fairen Lohn!» Diese Haltung vertritt die Unia, wenn es um Mindestlöhne geht. Sie müssen hoch genug sein, um ein würdiges Leben zu ermöglichen. Mindestlöhne sind wichtig, weil sie Lohndumping stoppen.

Für Frauen sind Mindestlöhne besonders relevant. Sie arbeiten überdurchschnittlich oft in Tieflohnbranchen, sind häufiger Teilzeit tätig oder unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit für eine gewisse Zeit. Mindestlöhne wirken sich auch positiv auf die Altersrente aus und helfen, prekäre Situationen abzufedern.

Die Unia setzt sich für Mindestlöhne ein

2014 lancierten die Unia und der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB die eidgenössische Volksinitiative zur Einführung eines Mindestlohns von 20 Franken pro Stunde beziehungsweise 4000 Franken pro Monat. Die Stimmbevölkerung hat die Mindestlohn-Initiative an der Urne abgelehnt, aber die Argumente von damals sind auch heute noch gültig:

  • Nur gut die Hälfte der Arbeitnehmenden in der Schweiz ist durch einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) geschützt. Von den 5 Mio. Erwerbstätigen unterstehen nur 1,8 Mio. einem GAV-Mindestlohn, die andern haben keinen Lohnschutz.
  • Allerdings stösst die Sozialpartnerschaft manchenorts an ihre Grenzen, wenn sich die Arbeitgeber systematisch weigern, Löhne unterhalb des Existenzminimums zu erhöhen.
  • Einige Branchen sind nicht gewerkschaftlich organisiert. Verhandlungen sind da nicht möglich, weil es keine legitimierten Vertreter:innen gibt oder die Arbeitgeber nicht gesprächsbereit sind.
  • Grenzregionen brauchen besonders dringend einen gesetzlichen Mindestlohn, um Lohndumping zu bekämpfen.

Immer mehr Kantone und Städte mit Mindestlohn

Seit 2014 haben die Kantone Neuenburg, Jura, Genf, Tessin und Basel-Stadt einen Mindestlohn beschlossen. Jedes Mal wurden die Mindestlöhne nach einer kantonalen Volksinitiative eingeführt, die von der Bevölkerung angenommen wurde. Auch die Städte Zürich und Winterthur sagten ja zu ähnlichen Mindestlohn-Initiativen.

Und es ist noch nicht vorbei: Mindestlohn-Initiativen laufen auch in den Kantonen Solothurn, Basel-Landschaft, Waadt und Wallis sowie in der Stadt Luzern. In den Kantonen Freiburg, Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen und Thurgau sowie in den Städten Bern und Biel finden Diskussionen für die Einführung eines Mindestlohns statt.

Aktuelle kantonale Mindestlöhne (Stand: Juni 2023)

Kanton / Gemeinde

Einführung

Betrag

Neuenburg

2017

CHF 20.77/Std.
CHF 3780.–/Monat (42 Std.)
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Jura

2018

CHF 20.60/Std.
CHF 3749.–/Monat (42 Std.)

Genf

2020

CHF 24.00/Std.
CHF 4368.–/Monat (42 Std.)
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Tessin

2021

CHF 19.00–23.00/Std.
CHF 3458.–/Monat (42 Std.)
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Basel-Stadt

2021

CHF 21.00/Std.
CHF 3822.–/Monat (42 Std.)
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Zürich (Stadt)

2023*

CHF 23.90/Std.
CHF 4349.- /Monat (42 Std.)

Winterthur (Stadt)

2023*

CHF 23.00/Std.
CHF 4186.-/Monat (42 Std.)

* Die Umsetzung der Einführung des Mindestlohns verzögert sich in Winterthur und Zürich, weil ihn die Gegner über einen Gerichtsentscheid verhindern wollen. Dabei hat das Bundesgericht die Frage, ob Mindestlöhne zur Armutsbekämpfung zulässig sind, bereits geklärt.

Angriff auf die kantonalen Mindestlöhne

In der Wintersession 2022 hat nach dem Ständerat auch der Nationalrat eine Motion von Ständerat Erich Ettlin (Die Mitte) äusserst knapp angenommen. Sein Vorstoss will, dass die Löhne in allgemeinverbindlichen GAV Vorrang haben vor den kantonalen Mindestlöhnen. Das betrifft heute die Kantone Genf und Neuenburg, welche die GAV nicht vom Geltungsbereich ihrer Mindestlohngesetze ausgenommen haben.

Die Folge: tiefere Löhne. In Genf beispielsweise würde eine Coiffeuse monatlich 1000 Franken weniger verdienen, in Neuenburg 400 Franken pro Monat.

Der Ball liegt nun beim Bundesrat, der einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung dieser Motion ausarbeiten muss. Bisher hatte sich der Bundesrat gegen die Motion Ettlin ausgesprochen. Wenn das Parlament den Entwurf annimmt, kann das Gesetz immer noch mit einem Referendum bekämpft werden. Bis dahin – und das kann noch lange dauern – gelten die Mindestlöhne weiterhin.

Diese Branchen sind aktuell von Lohnsenkungen bedroht:

In Genf

  • GAV für das schweizerische Coiffeurgewerbe
  • Landes-GAV des Gastgewerbes
  • GAV Tankstellenshops
  • GAV Personalverleih
  • GAV Reinigung von Textilien in der Romandie
  • GAV des Reinigungssektors für die Westschweiz

In Neuenburg

  • GAV für das schweizerische Coiffeurgewerbe
  • GAV Reinigung von Textilien in der Romandie

Ein unwürdiger Versuch, die Löhne zu senken

Für die Unia ist diese Motion unwürdig. Sie will die Löhne derjenigen senken, die bereits jetzt wenig zum Leben haben. Zudem stellt sie den Volkswillen (der Stimmbevölkerung in den Kantonen mit einem Mindestlohn) in Frage und will den Kantonen sozialpolitische Kompetenzen entziehen.

Und insbesondere untergräbt der Vorstoss das eigentliche Ziel der Gesamtarbeitsverträge: nämlich die Arbeitsbedingungen zu verbessern und nicht zu verschlechtern.

Die Unia erwartet nun gespannt die Vorlage des Bundesrats und wird diesen Angriff zusammen mit den betroffenen Arbeitnehmenden bekämpfen und sich weiter für Löhne einsetzen, die ein Leben in Würde ermöglichen.